Theater ohne Probe: Im Sinne von Brecht

Brotfabrik (Bühne) Berlin

Das Einzige, was man beim Improtheater weiß, was einen erwartet, ist, dass man nicht weiß, was einen erwartet. Weder Charaktere stehen vorher fest noch Handlung, ja nicht einmal das Thema.

So auch bei der Improtheatergruppe „Theater ohne Probe“, die sich am Anfang der Vorstellung die Themen für den Abend aus dem Publikum zurufen lässt. Bei der von mir besuchten Vorstellung waren diese – tagesaktuell – „Günter Grass“, „Kommunikation“ und „Journalist“. Das waren hervorragende Vorlagen, um „im Sinne von Brecht“ (d.h. das Stück soll einen aktuellen politischen Bezug haben, unterhaltsam sein, aber auch zum Nachdenken anregen) mit dem Journalismus – oder dem, was sich als solcher ausgibt – abzurechnen.

Der Absturz der Germanwings-Maschine war gerade drei Wochen her und die teils äußerst widerliche Berichterstattung noch in aller Ohren – allen voran die BILD-„Zeitung“, die das Ereignis in gewohnter „Manier“ ohne Rücksicht auf Angehörige der Opfer und des Piloten ausschlachtete, um mit Sensationshascherei Auflage zu machen.

Auch das wurde thematisiert, ohne es beim Namen zu nennen, was auch gar nicht erforderlich gewesen wäre. Wenn es keine Neuigkeiten gibt, müssen welche erschaffen werden. Spiegelt Journalismus nun die Wirklichkeit wider oder erschafft er eine? Was ist Wahrheit?

Auch Klischees wurden bedient: Die erste Aufgabe der Praktikantin ist: Kaffee kochen. Was diese aber geflissentlich ignorierte.

Wie gehen Menschen heutzutage miteinander um?

Starrt nur jeder auf sein Smartphone oder kommunizieren sie noch miteinander? (Dabei sei mir die ketzerische Frage gestattet: Was tue ich denn, wenn ich mit meinem Smartphone in sozialen Netzwerken unterwegs bin, wenn nicht kommunizieren? Nur eben etwas anders, mit anderen Menschen – aus aller Welt.)

Ein weiterer Faden des Stücks: Eine Touristin unterwegs mit einer Sherpani (Ironie der Geschichte: die weibliche Form wurde in der Pause recherchiert – mithilfe eines Smartphones). Sie treffen auf einen Höhlenmenschen, der 1978 dem „modernen Leben“ entsagt hat.

Es ist eine wahre Freude zuzuschauen, wie die sechs Schauspieler(innen) ihre Figuren entwickeln und miteinander interagieren. Gelegentlich kommt auch mal eine „Stimme aus dem Off“, wenn ein(e) Schauspieler(in) nicht als Figur, sondern als sie/er selbst spricht. Wobei das „Off“ nicht irgendwo außerhalb ist, sondern direkt vor den Zuschauern.

Etwas abseits steht ein Klavier, auch andere Instrumente kommen zum Einsatz, die mal ein improvisiertes Lied begleiten, mal die Szene mit Klängen untermalen. Auch das ist „im Sinne von Brecht“.

Dem Anspruch, einen aktuellen politischen Bezug zu haben, unterhaltsam zu sein und zum Nachdenken anzuregen, ist das Stück voll gerecht geworden. Und ein Spruch blieb mir hängen: „Für den tieferen Sinn haben die Menschen heute keinen Sinn mehr.“

Improtheater ist, wenn man vorher nicht weiß, wie gut es ist